Grosser Andrang am frühen Morgen auf dem Kronberg
Die Feierlichkeiten zum 1. August im Appenzellerland nahmen auch in diesem Jahr ihren Anfang auf dem Kronberg. Gesang, musikalische Klänge und herrliche Athmosphäre mit Wetterglück boten den Rahmen zur Festrede von Alt-Bundesrat Hans-Rudolf Merz.
(mr/rr) Wer am 1. August morgens ab 04.00 Uhr den Weg zum Kronberg unter die Räder oder die Füsse nimmt weiss, dass ihn etwas Spezielles erwarten wird. Auf der Fahrt zur Bergstation oder während der Wanderung in noch dunkler Nacht stellt man sich eventuell die Frage, was der Tag bringen wird? Eventuell versinkt man in Gedanken darüber, was es an unserem Nationalfeiertag denn zu feiern gibt? Wohin steuert die Schweiz?
Klänge «vo deheem»
Angekommen auf dem Kronberg fühlte man sich zuerst einmal «deheem». Mit vertrauten Klängen der Stegräfmusik Appenzell erwachte der Tag ganz gemächlich. «Schölleschötte ond e Ruggusseli», vorgetragen durch den Jodelclub Teufen, hatten bei langsam anbrechendem Tag den Charakter eines Morgengebetes. Abgerundet wurde die Feier musikalisch durch Nicolas Senn, der nach 2013 zum zweiten Mal frühmorgens auf dem Kronberg auftrat. Ab 06.30 Uhr verteilten sich die Gäste und machten vom grossen Angebot Gebrauch. Mit Frühstücksbuffet im Bergrestaurant, Grillwurst zum selber machen oder dem Grillspiess, der unter Leitung von Franz Koster selbst geschmiedet werden konnte, war für alle etwas dabei.
Friede und Sicherheit
Alt Bundesrat Hans-Rudolf Merz sprach auf dem Kronberg patriotische Gefühle an: «Alle, die schon bei Sonnenaufgang hier zuhören, werden feststellen: Hier oben herrscht Friede!». Das sei nicht immer so gewesen. Friede und Sicherheit hätten erstritten werden müssen. Just in diesem Jahr gedenke man der Schlacht von Morgarten (1315), und keinem Appenzeller müsse man Vögelinsegg und Stoss in Erinnerung rufen; beides sei Teil der ureigenen Geschichte, auf die man sich besinnen kann und muss. Ruhe und Frieden seien niemals geschenkt. So empfehle schon der Pharisäerbrief im Alten Testament: «Jaget nach dem Frieden!» Wer dies erstmals lese, könne nichts weniger als erschrecken. Jagen habe die Bedeutung von fangen, verfolgen, fesseln und töten – es sei ein Synonym für Gewalt, und dies ausgerechnet in der Bibel. Aber weit hergeholt sei das nicht, wenn man den Blick auf all die Krisenherde der heutigen Welt wirft. Auch in der Schweiz der Neuzeit werde ununterbrochen nach Friede und Sicherheit gejagt – nicht mit der Waffe, aber mit Argumenten, führte Merz aus. Er nannte fünf Besonderheiten, um die zu kämpfen es sich im aktuellen Umfeld lohne. Da sei zunächst der Wohlstand, ohne den unsere gut funktionierenden Systeme nichts taugen würden. Als höchstes Gut nannte er die Sicherheit für die Nation, aber auch für jedermann im Alltag, zuhause und im öffentlichen Raum. Mit Blick auf die Rekordfahne an der Säntiswand lobte er die Vielfalt der Eidgenossenschaft, die den 26 Kantonen in der Verfassung ihre Eigenständigkeit und ihre Eigenheiten garantiert. Und dies bei einer unglaublichen Spannweite zwischen Genf als internationaler Metropole voller Diplomaten und Innerrhoden als landwirtschaftlich geprägtem Tourismuskanton. «Beide haben ihre Qualitäten, und beide leben gut in unserem System», stellte der Redner fest. Als vierte Errungenschaft nannte er die Modernität in Schule, Bildung und Forschung. Nicht nur die Pharmaindustrie lebe davon, und die Gesellschaft müsse deren Wert erkennen und dafür offen sein und bleiben. Schliesslich nannte der ehemalige Bundesrat als wesentliche Errungenschaft die Solidarität mit allen, die unverschuldet in Not geraten sind: «Wir dürfen niemanden fallen lassen – so, wie wir es bisher nicht getan haben!» Es seien diese Besonderheiten, die der Schweiz internationale Anerkennung verschafft haben, gab sich Hans-Rudolf Merz überzeugt. Sie zu erhalten und zu fördern werde ein Seilziehen bleiben ganz im Sinne des Pharisäerbriefs, der da sagt: «Ja- get nach dem Frieden!»
Der Jodlerclub Teufen und alt Bundesrat Hans-Rudolf Merz am Rednerpult.
(Bilder: Martin Rusch)