Ein Flammen-Vortrag in Gonten

Bereits zum zweiten Mal innerhalb von acht Tagen lud der Pfarreirat Gonten zu einem Vortrag über den Nationalheiligen Bruder Klas ein. Gezeigt wurde Niklaus von Flüe als Richters, der aus den Mündern von ungerechten Amtskollegen Flammen aufsteigen sah. Eine erfreulich grosse Schar Zuhörer füllte wiederum war der Kronensaal in Gonten.

Clemens Fässler

Bruder Klaus hatte zahlreiche Visionen, die für den späteren Lebensweg von Bedeutung waren und insbesondere auf seine Entscheidung hinwirkten, als Eremit im Ranft zu leben. Eine von ihnen ereignete sich gemäss der Überlieferung während einer Gerichtsversammlung, der Bruder Klaus als Richter beiwohnte. Es ging um ein Pfandrecht, erklärte der Referent Arnold Rusch, der als Rechtsprofessor in Fribourg und danebst in Zürich lehrt. Die Rechtssituation sei damals wie heute eindeutig: Wenn der Schuldner sein Pfand wieder einlösen will, hat er das Recht dazu. Doch die Richter entschieden anders und damit gegen das Votum von Bruder Klaus, der für die rechte und gerechte Sache einstand. Folglich sah er Flammen aus den falschen und ungerechten Mündern seiner Richterkollegen.

«Fewr auss dem Mund»

Über diese Vision wurde vielfach berichtet und sie ist in Dutzenden Gemälden festgehalten. Der in Gonten aufgewachsene Jurist und Rechtsanwalt, Prof. Dr. Arnold Rusch LL.M., nahm dies zum Anlass, die bildlichen und schriftlichen Quellen zu dieser Vision zu sammeln und zu vergleichen. Für ihn stellt die Flammenvision eines von zahlreichen Ereignissen dar, die Niklaus von Flüe zum Rückzug aus dem weltlichen Leben veranlassten. Bereits bei der Seligsprechung von Bruder Klaus 1654 gab einer seiner Nachfahre zu Protokoll: «Darauff ihnen [den anderen Richtern] das Fewr auss dem Mund aussgegangen, wie B. Clauss gesehen und dardurch bewegt worden, sich dess Richterambts, wie auch dess offerierten Landammanambts und anderer weltlicher Geschäfften sich zue entschlagen.» Arnold Rusch sieht darin zwei Charaktereigenschaften von Niklaus von Flüe. Einerseits eine ängstliche: das Böse in der Welt erscheint ihm als Feuer, als etwas bedrohliches, von dem er zurückschreckt. Auf einem der zahlreichen Bilder, die Rusch zeigte, erscheint denn auch der Teufel selbst auf der Schulter eines falschen Richters. Andererseits zeigt Niklaus’ Mut zur Konsequenz. Denn als Richter repräsentiert er das gesamte Gericht, auch wenn dieses falsch entscheidet. Will er also mit den falschen Entscheiden nichts zu tun haben, so muss er aus dem Rat austreten.

Gegenwartsbezug

Als Jurist versuche er immer auch einen Gegenwartsbezug zu machen, liess Arnold Rusch wissen. Und so fragte er sich, welche Missstände Niklaus von Flüe heutzutage zum Rückzug aus der Öffentlichkeit bewegen würde. Der Rechtsprofessor wusste gleich mehrere solcher Missstände zu benennen, die seiner Meinung nach in der Schweiz grassieren. So werden vielerorts die Richterämter quasi gekauft, indem nur Parteimitglieder Richter werden können. Ein übertriebener Formalismus und teure Rechtsfälle verunmöglichen vielen Bürgern den Gang vors Gericht, als Laie habe man schlicht keine Chance. Schliesslich werde die Rechtskultur unterdrückt, indem möglichst viele Fälle noch vor dem Gerichtsverfahren durch Vergleiche beendet werden. Dagegen habe sich Bruder Klaus klar für Gerichtsverhandlungen ausgesprochen, sollte ein Streit nicht freundschaftlich gelöst werden können: «Ob es aber nit in der fründschafft moecht gericht werden, so lausend [lasset] das recht das böst [das beste] sein [= dann soll das Recht entscheiden].»

 

Bildlegende

Arnold Rusch zeigt die jüngste Darstellung der Flammenvision von Bruder Klaus. Abgebildet ist sie in einem Kinderbuch, welches von den Gontnern Marco und René Sager im Canisi Verlag realisiert wurde. (Bild: Clemens Fässler)

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