Wie soll die Kirche von morgen aussehen?

Ist die Kirche rechtliche Glaubenshüterin oder eine lebendige Gemeinschaft von Glaubenden? Sie war wohl schon immer beides und wird dies auch in Zukunft sein. Nach wie vor suchen viele Menschen  Halt in kirchlichen Institutionen und finden diesen auch. Wie der zukünftige  Weg der Kirche aussehen könnte, war zentrale Frage an einem Podiumsgespräch  am Freitagabend in Gonten. Bei grossem Interesse hat sich gezeigt, dass eine konstruktive Diskussion möglich ist und Hoffnung durchaus angebracht. Eine ausgewogene Mischung zwischen Bremse  und Gaspedal wird es auch in Zukunft brauchen.

Martin Rusch

Im Rahmen des Jubiläums 150 Jahre Pfarrei  Gonten konnte Pfarrer Josef Fritsche seine Begrüssung an den prall gefüllten Saal in der Krone richten. An den Gästen aller Altersklassen und gemischt aus allen Pfarreien des inneren Landes war gleich zu Beginn klar: Die Frage: «wie die Kirche der Zukunft mitgestalten?» interessiert die Menschen und regt zum Mitdenken an. Die Leitung des Podiums übernahm Dr. Erwin Koller, mit Spitznamen «Tschööli», der sich offensichtlich gut vorbereitet hatte  und sein breites Fachwissen nicht nur in theologischer Hinsicht, sondern auch in Bezug auf den Kirchenbau vor 150 Jahren unter Beweis stellte. Mit Patricia Ledergerber  (Studentin Pharmazie), Rosmarie Koller (Präsidentin kath. Frauenbund Schweiz), Sebastian Wetter (Vikar) und Dr. Bernhard Rothen (ref. Pfarrer) nahmen  vier Personen auf dem Podium Platz, die ihre verschiedenen Sichtweisen zum Thema mit in die Runde brachten.

Glauben und Institution nicht trennen

In der einleitenden Grundsatzfrage, wer die Kirche der Zukunft gestalten soll und wie sie aussehen soll, herrschte  sowohl auf dem Podium, wie im Saal weitgehend Einigkeit: Man wünscht sich eine lebendige Kirche, die ohne Leitung nicht auskommt, in der die Menschen in ihrer je eigenen Art und Aufgabe einen Platz haben und damit die Möglichkeit, Kirche mitzugestalten. Bernhard Rothen brachte mit seinem ersten Votum, in gut reformierter Tradition, bereits früh den wichtigen Punkt zur Sprache, dass es bei Fragen um die Kirche zentral nicht nur um Diskussionen betreffend der Institution  Kirche gehe, sondern dass immer Jesus Christus das eigentliche Haupt der Kirche sei. Institution und Glauben darf nie getrennt beobachtet werden.

Wo drückt der Schuh?

Zusammenfassend über die Wortmeldungen  kann gesagt werden, dass sich die Kirche schwer tut, die Menschen im mitteleuropäischen Raum in der heutigen Zeit zu erreichen. Der Umgang mit dem sich immer schneller drehenden «Rad der Zeit» erscheint besonders in unseren,  seit der Aufklärungszeit liberal und freiheitlich denkenden Gegenden eine besondere Herausforderung zu sein. Auf die einen wirkt ein gemächliches Tempo von Änderungen in der Kirche als Segen, andere werten den Sachverhalt als Beweis  für unverändert klerikale Machtstrukturen,  die wenig Hoffnung auf Besserung  versprechen. In der zentralistisch geführten Kirche kommt synodales Denken,  worin viele einen Schlüssel für vielfältige  Verbesserungen sehen, erst ganz langsam daher. Rosmarie Koller sprach auch den wunden Punkt zu Fragen der Verantwortung von Frauen und Laien in der Kirche an. Als Vertreterin des grössten  katholischen Vereins in der Schweiz brachte sie die Stimme vieler Frauen in die Runde, die sich von Vorgesetzten der Kirchenleitung in einigen Regionen zu wenig verstanden fühlen.

Papst Franziskus als Hoffnungsträger

Mit Papst Franziskus hat die Kirche erstmals  in ihrer Geschichte einen Nichteuropäer  an der Spitze, der verschiedene Kulturen sozusagen am eigenen Leib erfahren  hat. Die Podiumsteilnehmer waren sich ob seiner schnellen Auffassungsgabe, wie sich die Welt gestaltet, einig. Er geht mit gutem Beispiel voran und macht deutlich,  dass Kirche und Welt in engem Zusammenhang  stehen. Er hat erste Anstösse gegeben, dass gewisse Fragen in verschiedenen  Kulturen eventuell auch kontinental beantwortet werden könnten und stösst damit synodales Denken an. Sebastian Wetter strich zu diesem Thema die Wichtigkeit  hervor, keine Angst vor der Welt zu haben. Es gehe darum, statt Schutzmauern aufzutürmen auf die Welt zuzugehen und mutig den Glauben zu verkünden.

Ökumene

Ökumene heisse von Tag zu Tag miteinander  in die Zukunft gehen, so Bernhard Rothen.  Oft stelle man fest, dass eigene Fehler und Vorteile der jeweilig anderen Konfession  zur Sprache kommen. Die Diskussion zeigte, dass es an der Basis oder unter den Verbänden offensichtlich wenige Probleme  gibt. Patricia Ledergerber brachte zur Sprache, dass die Diskussionen in ihrem Umfeld zunehmend um interreligiöse Themen  kreisen. Wie auch immer, die Diskussionen  sollten wurzeln – das Ziel sollte sein «gute Katholiken» und «gute Protestanten  » in die Welt zu senden.

Wie soll es nun weitergehen?

Eine lebendige Kirche lebt vor allem von Christen, die ihren Glauben im Alltag vertreten. Das Feuer soll weitergetragen und offen kundgetan werden. Es müssen Berührungsängste abgebaut werden und – was als wichtiges Votum gesagt wurde:  «Christus mutet jedem einzelnen viel zu!» Einigkeit herrschte deshalb auch darüber, dass Kirche sein auch «Kreuz tragen» bedeute. Die abschliessende Fragerunde zeigte, dass es wohl keine einfachen Antworten gibt. Es geht einigen  zu schnell, anderen zu langsam. Um das «Geraderichtig» zu finden braucht es wohl auch in Zukunft viel Toleranz und vor allem – es braucht jeden einzelnen. Die Kirche der Zukunft wird die Kirche von uns Menschen sein, die augefordert sind, unsere Zukunft mitzugestalten. Eine Zukunft, in der sich weiterhin heiliger  Geist und menschlicher Rauch vermischen werden.

Die Teilnehmer an der Podiumsveranstaltung (v.l.): Rosmarie Koller, Patricia Ledergerber, Dr. Erwin Koller, Sebastian Wetter und Dr. Bernhard Rothen. (Bild: Martin Rusch)

Quelle: Appenzeller Volksfreund

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